BELLUARD FESTIVAL 2011 - Schlussbericht

 

Schlussbericht des 28. Belluard Festival

Das Belluard Festival 2011 zeichnete sich durch ein anspruchsvolles und vielfältiges Programm aus und zog mit 9000 Besuchern erneut mehr Publikum an als im Vorjahr. Über 20 Projekte in verschiedenen Spielstätten und pausenlose Interventionen im öffentlichen Raum versetzten die Stadt Freiburg in Aufregung. Besucher und Besucherinnen, Künstler und Künstlerinnen aus der Region, der ganzen Schweiz und der Welt haben Freiburg für die Dauer des Festivals in ein Forschungsgebiet der Hoffnung verwandelt, wo gegraben, untersucht, debattiert und der Versuch unternommen wurde, die Mechanismen und Vermittlung von Kunst zu erleben. In einer Zeit der Revolutionen und Empörungen hat das Belluard Festival ausserdem gezeigt, wie fruchtbar, lebendig und mehr als je notwendig diese Thematik ist.

Die 28. Ausgabe begann mit der Eröffnung eines reichhaltigen Buffets, eingebettet in ein Nebelmeer von züngelnden Schwaden aus Trockeneis – eine Kreation der Küchenchefs Maïté Colin, Jean Piguet und Arnaud Nicod. Im Anschluss hat die britische Gruppe Forced Entertainment mit der Uraufführung ihres neuen Stücks Tomorrow's Parties, das Festival eröffnet. In der ausverkauften Bollwerk Festung verstanden es die Schauspieler, ihr Publikum auf brillante Weise durch einen Katalog von Zukunftsvorstellungen, Katastrophenszenarien und idyllischer Paradieswerdung zu lotsen. Dabei wurde deutlich, dass unsere Faszination für die Zukunft vielmehr über den Zustand der Gegenwart aussagt als über die Zukunft selbst. Das Stück erlebte einen unerkannten Erfolg, sowohl bei der Kritik als auch bei den Besuchern und machte der Gruppe und ihrem künstlerischen Leiter Tim Etchells alle Ehre.

Nach der Einweihung des Bollwerks, setzte sich die Festivalmaschinerie weiter in Gang. Sie rollte den öffentlichen Raum auf und versprühte jeden Tag eine Dosis Hoffnung und eine Portion Fragestellung. Die vier Gewinner des Wettbewerbs 2011 zum Thema <HOPE> und Elke Van Campenhout eröffneten ihre Projekte in der Stadt

 

Zuerst war da der Spatenstich zum Digging Project von Kosi Hidama und Gosie Vervloessem (J/B). Auf unscheinbarem Grund zwischen öden Wohnblocks wurde die Erde nach oben gekehrt und der Hoffnung auf den Grund gegangen. Während 8 Tagen machten Anwohner, Passanten und neugierige Besucher bei der Grabung im Park St. Thérèse mit und riefen uns in Erinnerung, dass Hoffnung nicht von den Bäumen fällt, sondern schweisstreibend erarbeitet werden muss.

United Sorry (Robert Steijn und Frans Poelstra) mit Erik Leidal und Martin Siewert durchstreiften als ambulanter, musikalischer Hilfedienst mehrere Tage lang die Stadt und sammelten Sorgen und Nöte der Freiburger, um diese in der konzertanten Abschlussperformance zu besingen und zu lindern. Nicht alle Besucher hatten die Geduld, diesen Abend bis an sein bitter wahres Ende mitzuverfolgen, doch wer blieb, erinnert sich an eine grossartige Liebeserklärung an die menschlichen Schwächen, gegen die kein Hilfedienst der Welt ein Mittel kennt.

Die Künstlerin Alexis O'Hara aus Montréal legte grossen Mut an den Tag, indem sie sich wortwörtlich der vorherrschenden Gleichgültigkeit in unseren Strassen aussetzte. Sie lud die Passanten ein, sich an der Schulter ihres Sorgenschwamms auszuweinen. Das hierbei aufgenommene Tonmaterial verdichtete sie zu einer Musikperformance, wobei Rohmaterial auf feines, stimmliches Kunsthandwerk stiess. Mal unkeusch, mal harzig, mal liebkosend widerspiegelte die Musik den Charakter der Begegnungen und der Geschichten der Strasse.

 

Jeden Tag, punkt 19:07, surften der Freiburger Künstler Martin Schick (alias « Super Candide ») und seine Komplizin Vreni Spieser (alias Kunigunde) von ihrem Gartenhäuschen im Jardin de Pérolles aus auf der Welle der Empörung. Mit ihrem Projekt Omomoto (revolution at 19:07) probten sie jeden Tag mit einer anderen Bevölkerungsgruppe den Aufstand. Künstler, Rentner, Sportler, Singles, Reiche und Nostalgiker reflektierten ihr Bedürfnis nach einer Revolution und gingen jeden Tag in anderer Formation auf die Strasse.

Für die Dauer einer Woche hatte Freiburg auch sein Naturhistorisches Museum der Hoffnung. Als Elke Van Campenhout ihre Kollektion wieder schloss, hatte sich diese um einige Exponate erweitert. Zahlreich waren die Besucher, die im Sand des Museums im Arsenal't nicht nur Spuren, sondern auch einen persönlichen Gegenstand der Hoffnung hinterliessen.

Eine weitere Auseinandersetzung mit Revolution bot der Belgier Pieter De Buysser. Die Schweizer Erstaufführung von Mauervariationen für Anfänger war eine betörend verstörende Rede über den Mauerbau in Europa und der Welt. Der Erzählkünstler begeisterte mit seiner ausufernden Fantasie und unzähmbarer Poesie einen vollen Saal.

 

Das Festival widmete sich auch dem Thema Utopie, beispielsweise mit dem live kommentierten Dokumentarfilm  Utopia in Four Movements (Schweizer Premiere) des amerikanischen Filmemachers Sam Green. Diese Projektion erforschte in vier Teilen zeitgenössische Utopiebewegungen und zeigte, wie Utopie als treibende Kraft die Menschheitsgeschichte bewegt, aber auch Masslosigkeit und Verantwortungslosigkeit antreiben kann. Die zwei Vorstellungen wurden von Debatten begleitet, an denen Edouard Waintrop (Leiter CAC Voltaire Genève), Ariane von Graffenried (Universität Bern), Peter Frei (Université Freiburg) und Michael Zimmermann (CIGUË Genève) teilnahmen. Moderiert wurde von Elke Van Campenhout und Marcy Goldberg.

Eine weitere politische Aktualität stellte der Dokumentarfilm City of Change der Schweizer Künstler  Milo Rau und Marcel Bächtiger dar. Das mutige Projekt hatte zum Ziel, das demokratische System einer Schweizer Stadt mit der Einführung des Ausländerstimmrechts radikal zu reformieren. Es rief dabei in Erinnerung, dass Kunst im öffentlichen Raum und im zivilen Gefüge eine entscheidende Rolle spielen kann. Im Anschluss an die Projektion debattierten Jacques Deillon (Präsident der jungen SVP Freiburg) und Prof. Gianni D’Amato (Direktor des Swiss Forum for Migration and Population Studies, Universität Neuenburg) mit den Filmemachern. Diesmal moderierte David Collin (RSR).

Eine juristische Aktualität wurde in dem ebenfalls als Schweizer Erstaufführung angekündigten Projekt X und Y gegen Frankreich: Plädoyer für eine Rechtsprechung von Patrick Bernier und Olive Martin aus Nantes (F) behandelt. Das Publikum konnte als Geschworene der Eloquenz der Anwälte Sébastian Canevet und Sylvia Preuss-Laussinotte folgen, die das Autorenrecht als Instrument einsetzten, um das Bleiberecht des Ausländers X zu erwirken.

 

Auch die Ungarische Regisseurin Edit Kaldor warf einen Blick auf das Thema Migration. Gemäss dem Bild der Stadt Freiburg, ist auch das Belluard Festival eine mehrsprachige Veranstaltung. Diesem Wesenszug trug die Schweizer Erstaufführung von Kaldors Theaterprojekt C’est du Chinois in Gänze Rechnung. Vor ausverkauften Zuschauerrängen führte eine chinesische Einwandererfamilie in ihre Sprache, das Mandarin ein. Der Zuschauer wurde gnadenlos zur Wiederholung der Worte aufgefordert, wodurch er nicht nur Sätze lernte, sondern immer tiefer Einblick in das Schicksal der Familie erhielt.

 

Zahlreiche Besucher waren besonders berührt von dem Projekt Covet Me, Care for Me von der lebhaften, britischen Künstlerin Sheila Ghelani. Das Splittern der berstenden Glasherzen hallte in der rohen Architektur des Werkhofs und während der Scherbenhaufen stetig wuchs, verliessen die Teilnehmer das Gebäude mit dem Gefühl, um ein persönliches Erlebnis reicher zu sein.

Das hippe britische Frauentrio von Getinthebackofthevan flippte in seinem Stück External nicht nur selber fast aus, sondern versetzte auch ein grosses Publikum in heitere Ekstase. Das erstmals ausserhalb Englands gezeigte Stück überzeugte mit szenischen Abgründen, abrupten Wendungen und eleganten Höhenflügen. Die jungen Britinnen mögen heute noch unbekannt sein, werden aber mit Sicherheit in einigen Jahren auf den Bühnen Europa öfters anzutreffen sein – eine Entdeckung, die die Berufung des Belluard Festivals, jungen Kunstschaffenden eine Plattform zu bieten, unterstreicht.

Der Dokumentarfilm Chacun sa merde von Hugues Peyret (Schweizer Premiere) sorgte ebenfalls für  grösste Heiterkeit. Der Autor nahm uns auf eine ungewöhnliche Weltreise mit, stets auf den Spuren der 90 berühmten Konservendosen, mit denen der Italienische Künstler Piero Manzoni 1961 den Kunstmarkt aufmischte.

An die Thematik des Kunsthandels anknüpfend, fand mit The Great Public Sale of Brilliant but Unrealized Ideas © zweifellos einer der Höhepunkte des diesjährigen Belluard Festivals statt. Der interaktive Abend legte den ganzen Prunk der Welt der Auktionshäuser an den Tag und begeisterte nicht nur gewohnte Gäste öffentlicher Auktionen, wie beispielsweise Dr. Dirk Boll, Managing Director von Christie's Schweiz, sondern ein breites Publikum. Die Freiburger Regisseurin Sylviane Tille orchestrierte den Abend auf die Hammerschläge des Auktionators Bernard Piguet (Hôtel des Ventes de Genève). Unter eifriger Teilnahme des Publikums entfaltete sich ein dynamischer Abend, der die Mechanismen einerseits des Kunstmarkts und andererseits der öffentlichen Meinung zum Vorschein brachte. Die Käufer geizten dabei nicht, so dass sich die Rekordsumme für eine brillante, aber unrealisierte Idee auf  700'000 CC belief, ein Spielgeld, das 700 CHF entspricht. Auch die alternative Währung von PCC, Personal Creativ Capital, wurde rege genutzt,  indem eine Gegenidee als Zahlungsmittel angeboten wurde.

Auf musikalischer Ebene schöpfte die 28. Festivalausgabe aus einem abwechslungsreichen Repertoire, allem voran mit den DJ's, die jeden Abend auf ihre Weise ausklingen liessen. Antoine Chessex, Jérôme Noetinger und Valerio Tricoli suchten die sagenhafte Bollwerk Festung mit einer speziell für dieses Baudenkmal choreographierten Musikinstallation heim. Das intensive Ohrenkino begeisterte ein breites Publikum sowie Exponenten aus der Experimentalmusik Szene der ganzen Schweiz.

Zum Abschluss krönte das feurige Konzert des Briten Christopher Green alias Tina C from Tennessee mit dem Trio from Hell aus Zürich das Festival. Diese einmalige Mischung aus Country, Jazz und Variété, gespickt mit textlichen und schauspielerischen Überraschungen bleibt dem dicht gedrängten Publikum in bester Erinnerung.

Im Verlauf der Jahre hat sich das Belluard Festival schliesslich auch einen soliden Ruf in Bezug auf seine Küche erarbeitet. Allem voran servierte die berühmte KITCHAIN wieder Menüs von höchster Qualität und Farbenpracht. Auch die Kochnischen waren ausgebucht und brachten allabendlich häusliche Partystimmung in den Restaurationsbereich, wo Amateur auf Chefkoch traf und die gemeinsamen Erlebnisse auf www.kitchain.net dokumentiert wurden.

Die Küche erhielt aber auch mit dem Projekt Conflict Kitchen aus Pittsburgh (USA) eine neue Facette. Hier wurden ausschliesslich Gerichte aus Ländern serviert, mit denen die USA in kriegerischer Auseinandersetzung stehen. In einer Lecture-Performance gewährten die zwei Initiatoren aus Amerika und ihre Kollegen aus Iran und Afghanistan Einblick in die künstlerische Arbeit in ihren jeweiligen Ländern. Die Beteiligten, die seit langem via Skype gemeinsame Projekte organisieren, konnten sich in Freiburg zum ersten mal live begegnen. Den vier Akteuren gelang es, ein spannendes Rezept von Kunst, Gastronomie und Politik zu servieren.

Das Belluard Festival hat 2011 einmal mehr unter Beweis gestellt, dass es immer von neuem die Kühnheit aufbringt, mit Projekten an der Grenze der Disziplinen seinen festen Platz in der Festivallandschaft zu behaupten. Bei dieser Gelegenheit sei auch der grossartige Einsatz der freiwilligen Helferinnen und Helfer erwähnt und die einzigartige Zusammenarbeit der mit den öffentlichen Diensten der Stadt. Nicht weniger als 80 Freiwillige haben im Verlauf der Veranstaltung zum Erfolg beigetragen. Auch die Besucherzahlen stehen im Hoch, wurden doch über 9000 Gäste gezählt, die sich die verschiedenen Veranstaltungen in den Sälen und im öffentlichen Raum zu Gemüte führten. Auch von Seiten der Medien und der Presse kam dem Belluard Festival 2011 grosse Aufmerksamkeit zuteil, darunter kritische Besprechungen in der Tagespresse, Radio- und Fernsehinterviews sowie zahlreiche Berichterstattungen online.

BESUCHERZAHLEN 2011

Vorstellungen im Bollwerk: 1478

Vorstellungen in der Ancienne Gare / Nouveau Monde: 416

Vorstellungen extra-muros: 377

Installationen und Ausstellungen: 720

Interventionen im öffentlichen Raum, Stadt Freiburg: 3310

KITCHAIN: 2910

Besucher total: 9211

30.5. Martin Schick & Laura Kalauz, CMMN SNS PROJCT 15/05/12

Das Belluard Bollwerk International freut sich, zusammen mit dem Nouveau Monde das Stück CMMN SNS PRJCT von Martin Schick & Laura Kalauz zu präsentieren! Kommt zahlreich - es wird genial!!


Theater & Tanz / in Zusammenarbeit mit Le Nouveau Monde

MARTIN SCHICK

& LAURA KALAUZ

CMMN SNS PRJCT

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THE NOTWIST - 28.06.2012 - ENCEINTE DU BELLUARD 26/03/12

Le Nouveau Monde et le Belluard Festival présentent

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Die Audioproduktion [wirvwar] ist zum anhören bereit! 30/09/11

Tauchen Sie ein in die Klanglandschaft von Freiburg?

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Belluard Festival 2012, 29.6 - 7.7 30/09/11


PROGRAMME ONLINE on NEW website on May 29th!

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