Belluard 2010, ein "grand cru"!

Vom 24. Juni bis 3. Juli fand die 27. Ausgabe des Festival Belluard Bollwerk International statt und machte mehr noch als in den vergangenen Jahren von sich reden. Die 23 Projekte prägten in der Ancienne Gare, im Bollwerk und im Festivalzentrum KITCHAIN täglich Gespräche und Diskussionen. Während 9 Tagen machten unglaubliche und einleuchtende Geschichten die Runde und weckten sowohl bei dem wachsenden Publikum als auch auf der Strasse Neugier und Enthusiasmus.

Das Festival löste ein schweizweites Medienecho aus und zahlreiche Journalisten nutzten die Gelegenheit, die vor Ort anwesenden Künstler nach Freiburg interviewen zu kommen. 

2010 präsentierte sich das Belluard Festival einmal mehr als eine Plattform für aufkommende und bekannte Künstler aus dem In- und Ausland, die es mit Schranken aufnahmen und Horizonte zu erweitern versuchen. Unter den mutigen und experimentierfreudigen Interventionen forderten einige neben den Augen auch den Geruchs- und Hörsinn heraus. Alles in Allem fanden 23 Projekte statt, darunter 10 Eigenproduktionen und 9 Schweizer Erstaufführungen.  

Das Programm zog neben dem treuen Freiburger Festivalpublikum auch neue, jüngere Besucher und Kunstschaffende aus allen Landesteilen an, was die Qualität der Programmgestaltung weiter bestätigt. Die erneut intensive Medienberichterstattung sowohl in der Deutsch- als auch Westschweiz zeugte von einem regen Interesse am diesjährigen Programm. Mit Vorankündigungen, Künstlerinterviews und Kritiken setzten sich die Journalisten intensiv mit dem Geschehen in Freiburg auseinander. Erstmals fand das Festival auch in der Tessiner Presse Erwähnung.  

Im Rahmen der Projektausschreibung 2010 <URBAN MYTH> widmeten sich 8 Projekte den Gerüchten, Geschichten und dem Hörensagen im urbanen Umfeld. Als die Ausschreibung letztes Jahr lanciert wurde, wirkte sie wie ein Steinwurf ins Wasser: sie zog weite Kreise, erreichte viele Leute und erhielt die unterschiedlichsten Antworten. Aus 349 Dossiers wurden 8 Projekte ausgewählt und für das Belluard Festival 2010 realisiert. Die ausgewählten Künstlerinnen und Künstler wurden von Mentoren begleitet und bewegten sich mit ihren Ideen mehr oder weniger weit und in unterschiedlichen Richtungen von dem Thema weg oder auf dieses zu.  Es gab Projekte, die versuchten, durch eine Aktion einen Mythos zu verbreiten. Z. B. sorgte Laurence Payot mit ihrem Projekt The Man who was everywhere für Aufmerksamkeit und Verwunderung in der Freiburger Innenstadt. Die Künstlerin schickte in regelmässigen Abständen 25 gleich gekleidete Männer auf demselben Parcours durch die Strassen. Die Passanten fragten sich nach einer Weile gezwungenermassen, wer wohl der junge Mann sei, der alle 10 Minuten an allen möglichen Orten immer wieder auftauchte, wie bedrohlich er sein oder wofür er Werbung machen könnte. Die Gerüchteküche brodelte und die Reaktionen waren heftig: von Applaus bis Verfolgung und Interpellation durch Sicherheitsbeamte erlebten die 25 Performer beinahe alles.
Auf ähnliche Art wurde die Bevölkerung herausgefordert, als die Lausannergasse anfing, seltsam frisch zu duften: Air (+), das Projekt von Xavier Bauer liess auch hier die Passanten und unfreiwilligen Zeugen der Intervention lange im Ungewissen.  Andere Projekte spielten mit dem Grenzverlauf zwischen Realität und Fiktion. So versuchte Thomas Bratzke mit einem Haus zu kommunizieren und es mit Akupunktur zu heilen und wieder bewohnbar zu machen. Seine Performance wurde auf SF1 in der Sendung Kulturplatz eindrücklich gezeigt und löste bei den Zuschauern vor Ort heftige Diskussionen von Stadtplanung bis Gesundheitspolitik aus.
Auch bei der Ausstellung Micro-ecosystèmes d’un micro-Quotidien des Künstlerduos Scenocosme blieb das Publikum mit der Frage zurück, welches Getier denn nun wirklich existiere und vor welchem man sich nun tatsächlich zu fürchten brauche.   Wieder anderen Projekten diente eine moderne Legende als Ausgangspunkt. So z.B. bei Nicolas Galeazzi und Joël Verwimp, die ihr Projekt Coyotl – Mythendruckerei auf der mutmasslichen Verbindung zwischen Ghadhafi und Damian Hirst aufbauten. Zusammen mit dem Publikum und Fachleuten versuchten sie in täglichen Redaktionssitzungen den Missing-Link zwischen den zwei mythenumrankten Personen herauszufinden und veröffentlichten das Resultat in Wandzeitungen in ihrer Galerie-Druckerei.
Auch The United Squadrons of Blessed Diana spielten in ihrem Stück „déjà, mourir n’est pas facile...“ bestehende Mythen an. Während die Zuschauer im grossen Saal der Grenette drinnen in Sicherheit waren und über die Lautsprecher Stimmen und Musik hörten, sahen sie draussen auf den Strassen von Freiburg neben den beiden Performern auch Bogenschützen, Motorradfahrer, einen Saxophonisten und ein tanzendes Paar, die sich im Getümmel der Stadt mit dem Hörspiel im Saal in Verbindung setzten.
Jérôme Leuba wollte mit seinem Projekt battlefield # 56: sugar den Konsumenten mit der Angst vor Not konfrontieren, indem er während dem Festival den Zucker aus den Ladenregalen der Stadt entfernen wollte. Das Projekt war jedoch zum Versuch verurteilt und konnte nicht in dieser Form stattfinden. Es hat sich jedoch gezeigt, dass die Idee des Künstlers einen wunden Punkt in der Gesellschaft traf. Der Künstler war im Rahmen eines Publikumsgesprächs beim Festival anwesend.   Unter allen Wettbewerbsprojekten verursachte Anonymous am meisten Gerede. Ganz im Sinne der Ausschreibung, schaffte es der unbekannte Künstler, zu einem Stadtgespräch zu werden.

Weitere Programmpunkte  Vor dem Hintergrund der <URBAN MYTH> Wettbewerbsprojekt wurden auch Stéphane Montavon und Gilles Aubry eingeladen, als Fieldrecorder den Gerüchten und dem Hörensagen in Freiburg nachzugehen und ein akustisches Panorama der Stadt aufzunehmen. Ihr Projekt [wirvwar] war eine Hörstückpremiere, eine Art Doku-Fiktion zwischen Hörspiel und konkreter Musikkomposition. Das Publikum nahm die Einladung, sich auf Teppichen und Kissen hinzulegen und sich dem kollektiven Zuhören hinzugeben, begeistert an. Das Thema Urbaner Mythos wurde auch in einer Vorlesung von Dr. Aurore Van de Winkel behandelt. Die Kommunikationswissenschaftlerin von der Universität Louvain-la-Neuve sprach vor einem interessierten Publikum über Ursprünge, Eigenschaften und Auswirkungen moderner Legenden und wusste ihre wissenschaftlichen Ausführungen gekonnt mit Geschichten zu spicken, wodurch sich die Veranstaltung in ein ausserordentlich bühnenreifes Erzähl-Erlebnis verwandelte. Aussergewöhnliche Erzählweisen kamen auch in der Lecture-Performance Aïda, sauve moi von Joana Hadjithomas und Khalil Joreige zum Ausdruck. Hier ging es um eine Anekdote über einen seiner Filme, in welchem ein als Requisit benutztes Foto trotz fiktionalem Kontext plötzlich reale Auswirkungen auf sein Leben hatte.
Auch in Void Story von Forced Entertainment ging es um eine aussergewöhnliche Erzählweise. Dieser actionreiche Fotoroman mit Bildprojektionen in Video-Ästhetik und Schauspielern auf der Bühne, die das Geschehen auf der Leinwand live vertonten, überzeugte an zwei Abenden ein grosses Publikum mit seiner subtilen Komik und den nie enden wollenden Katastrophen, welche die Protagonisten der Geschichte immer wieder überlebten.  
Um realere Katastrophen ging es dann bei Renzo Marten im Film Episode III: Enjoy Poverty. Der Filmemacher interessiert sich für den Umgang mit Armut und Elend in Afrika. Sein provokativer Film schlägt vor, Armut zu einem verkäuflichen Gut zu erklären, um dann Profit daraus zu schlagen, anstatt ständig am Versuch zu scheitern, sie zu bekämpfen. Mit dieser These verstörte und beeindruckte er das Publikum zugleich, welches trotz grosser Hitze an zwei Abenden den Saal in der Ancienne Gare beinahe zum bersten brachte.
Auch die Tänzer von White Horse interessierten sich in ihrem Tanzstück Trip für Emotionen, die teils in brutalen Zusammenhängen stehen. Sie bewegten sich eine Stunde lang mit weit aufgerissenen Mündern und Gesten, die an Euphorie, Schmerz, Schock und Wut erinnern. Das Stück hinterliess eine bewegte Besucherschar, die vom reinen Zuschauen beinahe schweissnass war.  Andere Projekte fokussierten auf die Begegnung zwischen zwei Menschen, die im gemeinsamen Gespräch die Welt des anderen erkunden. Im gleichermassen witzigen wie aufschlussreichen Projekt von Gintersdorfer/Klaßen trafen der deutsche Tänzer Jochen Roller und der ivorische Tänzer Franck Edmund Yao aufeinander. Sie machten sich gegenseitig verständlich, was den Tanz des Affen vom Tanz des Kindes im Kleid der alten Frau unterschied, wie es dazu kam, dass man diese Bewegungsabfolgen so nennt und warum der zeitgenössische Tanz mehr Bewegungsfreiheit braucht. An diesem ersten Festivalwochenende erschallte das Bollwerk vor lauter Lachern und peinlich getroffenen Kicherern.
Dass Begegnungen unser Leben farbiger machen, zeigte sich auch in der Human Library, wo sich jeden Tag eine lange Schlange vor dem Tresen der Ausleihe in der Kantons- und Universitätsbibliothek bildete. Das Projekt war eines der erfolgreichsten des diesjährigen Festivals. Die Leser der lebendigen Bücher liessen sich genauso wie die das Projekt leitende Künstlerin Sylviane Tille beeindrucken vom Erfindungsreichtum und von der Hingabe, mit denen die 72 Bücher eine Frage erörterten oder aus ihrem Leben erzählten.   Das Aufgebot der Freiburger und Freiburgerinnen, die sich in den verschiedenen Projekten als ihre Hauptakteure hervortun konnten, war dieses Jahr besonders gross. Neben der Human Library und The man who was everywhere von Laurence Payot, traten auch in Les Sysiphe x 10 der Tänzerin und Choreografin Julie Nioche vierzehn junge Leute aus der Stadt auf. Sie erprobten in einer Performance, wie die Erschöpfung beschaffen ist, die sich beim kontinuierlichen Hüpfen und Springen einstellt. Die heterogene Truppe aus Amateurschauspielern, Jugendlichen und Asylbewerbern brachte mit einfachsten künstlerischen Mitteln eine elektrisierende Performance auf die Bühne, die den Zuschauer nicht unberührt liess.
Bei Deepblue wurden schliesslich alle Zuschauer zu Hauptakteuren erklärt, ohne dass man sich hätte vor den Kopf gestossen fühlen müssen. In vielen kleinen Schachteln, die durch die Zuschauerreihen gereicht wurden, konnte jede Person einen ganz eigenen Reim auf das Stück finden. 

Schliesslich gab beim Belluard Festival auch die die Musik einen Rhythmus vor. Das Klingt.Orgestra bestritt das Eröffnungskonzert mit einem beeindruckenden Dispositiv an Gitarren, analogen Geräten, selbstgebauten Instrumenten, Laptops und Videos, die sich zu vielschichtigen Kompositionen zusammenfügten. Um das Zusammenspiel vom bewegten Bild mit Musik ging es auch bei Naïma. Michael Egger und Maïte Collin orchestrieren mit einem Video-Bass poetische Bilder zu der live Musik von Olivier Nussbaum und Stéphane Mercier. Auch auf dem Tisch von Tarek Atoui türmten sich überaus interessante Gerätschaften, denen er mit vollem Körpereinsatz Musik entlockte. Seine dramatische Remix-Methode war ein äusserst gelungenes, verblüffendes Spektakel. Den Festivalabschluss krönte Reggie Watts mit einem Konzert, das so schnell niemand vergisst. Die Schweizer Premiere des New Yorker Beat-Boxers war gespickt mit französischen und englischen Anspielungen auf die Schweiz und mit kurzen Gedichten, die aus dem Stegreiff entstanden. Mit einem eindrücklichen Stimmregister stattete er von Musical bis Operette über Soul, Rock, Schlager und Rapp allen Musikfamilien einen Besuch ab und brachte gleichzeitig seine musikalische Einzigartigkeit zur Geltung.

Der Dreh- und Angelpunkt des Festivals war weiterhin auch das im Sommer 2009 eingeweihte Festivalzentrum im Arsenal mit der viel gerühmten Festivalküche KITCHAIN (designt von Antonio Louro und Benedetta Maxia, Gewinnerprojekt Ausschreibung 2009). Überall an den Kochnischen formten sich kleine Gruppen von Leuten, die selber kochen wollten, während andere die kulinarischen Kreationen der Köche Arnaud Nicod und Jean Piguet aus der Auberge aux 4 Vents und Maïté Collin rühmten. Auch die Künstler und Mitarbeiter, die täglich hier verköstigt wurden, rühmten die Gastfreundschaft, den Empfang, die Organisation und die Atmosphäre vor und hinter den Kulissen. 

Zum Schluss ein Ausblick auf das nächste Jahr: das Belluard Festival hat bereits die Ausschreibung 2011 lanciert. Der Titel lautet HOPE. Gesucht werden Projekte, die sich mit dem Thema Hoffnung auseinandersetzen.

Der Pressespiegel befindet sich hier.

30.5. Martin Schick & Laura Kalauz, CMMN SNS PROJCT 15/05/12

Das Belluard Bollwerk International freut sich, zusammen mit dem Nouveau Monde das Stück CMMN SNS PRJCT von Martin Schick & Laura Kalauz zu präsentieren! Kommt zahlreich - es wird genial!!


Theater & Tanz / in Zusammenarbeit mit Le Nouveau Monde

MARTIN SCHICK

& LAURA KALAUZ

CMMN SNS PRJCT

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THE NOTWIST - 28.06.2012 - ENCEINTE DU BELLUARD 26/03/12

Le Nouveau Monde et le Belluard Festival présentent

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Die Audioproduktion [wirvwar] ist zum anhören bereit! 30/09/11

Tauchen Sie ein in die Klanglandschaft von Freiburg?

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Belluard Festival 2012, 29.6 - 7.7 30/09/11


PROGRAMME ONLINE on NEW website on May 29th!

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